Schneller, flexibler, einfacher: Um im 21. Jahrhundert wettbewerbsfähig bleiben zu können, ist es vor allem für Industrieunternehmen unabdingbar, Prozesse zu digitalisieren oder sich auf Onlinevertriebskanälen zu etablieren. Die Handwerksbranche erlebt diesen Umschwung bisher nur schleppend. Es stellt sich die Frage, ob und inwiefern das Handwerk denn überhaupt digitalisierbar ist.
Der Winkelschleifer erzeugt eine ohrenbetäubende Lautstärke, schwerer, funkender Metallstaub durchzieht die Luft und es riecht nach Eisen. Werkstücke glühen rot-gelb und Rauch steigt auf. An einem anderen Arbeitsplatz blitzt die starke UV-Strahlung eines Schweißapparats auf. Zwischen all den modernen Maschinen und Geräten erinnern eine Esse und Amboss an vergangene Zeiten, als Hufeisen noch in schwerster Handarbeit geschmiedet wurden. Nur wenige Jahrzehnte später wagen einige Handwerksbetriebe einen weiteren Sprung in die Zukunft: Die Digitalisierung.
Metallbaubrüder Christ
In dem Artikel „Zwei Jung-Unternehmer gegen den Trend“ vom 04.01.2020 hat die Fränkische Landeszeitung bereits die beiden Brüder Matthias und Steffen Christ vorgestellt. Sie sollen demnächst die Nachfolge des Familienbetriebs Metallbau Gümpelein antreten. Während Matthias als Meister und Schweißfachmann sich um das Tagesgeschäft kümmern kann, hat Steffen mit Bachelorabschluss der Betriebswirtschaft bereits Vorstellungen und erste Entwürfe, das Unternehmen zu digitalisieren, um hauptsächlich interne Unternehmensprozesse zu optimieren.
Im April 2020 hat die Handwerkskammer die beiden zukünftigen Geschäftsführer bereits hinsichtlich einer geeigneten Branchensoftware beraten. „Damit kann man festgefahrene Geschäftsprozesse wie diese in digitale Schnittstellen mit Lieferanten und Auftraggebern einbetten und optimieren.“ Beispielsweise Ausschreibungen der öffentlichen Hand dürfen heute ausschließlich elektronisch getätigt werden, weshalb sich Betriebe mit dieser Umstellung auseinandersetzen müssen, sofern sie weiter an dem genannten Ausschreibungsprozess teilhaben wollen. Bei diesen externen Prozessen ist die Digitalisierung ein Muss, bei internen Prozessen jedoch, haben Unternehmer die Möglichkeit durch die Digitalisierung ihren Arbeitsalltag einfacher und flexibler zu gestalten.

Steffen und Matthias beim Bau eines Pavillons (Foto: Anja Christ)
Die Idee der digitalen Schreinerei
Julia Kasper ist ehemalige BWL-Studentin und beschäftigt sich bereits seit mehreren Jahren mit der Digitalisierung von Geschäftsmodellen, insbesondere im Handwerk und hat für die familiengeführte Schreinerei Kasper die Idee der Seite holzgespuer.de entwickelt. Dort bietet sie einen Konfigurator für individuelle Esstische an, die dann bei der Schreinerei bestellt und gefertigt werden können. „Als wir das 2014 gelauncht haben, waren wir die ersten deutschlandweit mit einem eigenen 3D-Möbelkonfigurator“, erzählt Julia Kasper. „Doch die Umsetzung von guten Ideen erfolgt immer im Team und wird dann interdisziplinär zusammengesetzt.“ Obwohl die Schreinerei auf den Bau von Massivholztreppen spezialisiert ist, wird durch die Seite holzgespuer.de mittlerweile etwa ein Drittel des Umsatzes erwirtschaftet. Ebenso betont sie die Reichweite, die das Unternehmen durch den Onlineauftritt erlangt hat. „Als kleine Tischlerei bedienen wir Kunden rund um den Kirchturm, aber mit unserer Onlinepräsenz haben wir Tische bis in die Schweiz geliefert.“
Zukunftsrelevanz
Matthias und Steffen stehen jedoch erst am Anfang, den Umschwung bewerkstelligen zu können. „Meiner Meinung nach ist der erste Schritt in die richtige Richtung zu allererstmal eine geeignete Software zu bekommen und diese nutzbar zu machen“, erklärt Steffen. „Der Fokus liegt bei uns zunächst auf den internen Prozessen, wie beispielsweise eine digitale Arbeitszeiterfassung bis hin zu mobilen Endgeräten am Arbeitsplatz, um Aufträge schneller und einfacher abwickeln zu können. Sobald der Betrieb dann intern zukunftsfähig gemacht wurde, lassen sich dann die zahlreichen weiteren Chancen ergreifen, die sich durch die Digitalisierung ergeben: Transparente Kostenkalkulation, optimiertes Lieferantenmanagement oder rechtskonforme Auftragsakquise. Das sind die grundsätzlichen Dinge, auf die man erstmal hinarbeitet und dann wäre natürlich so ein Konfigurator wie bei holzgespuer.de, nur eben für Metallbauprodukte, eine tolle Sache.“
Letztendlich müssen jedoch alle Umstellungsprozesse am Kunden orientiert sein. Durch die mittlerweile auch kundenindividuelle Massenproduktion, die die Industrie bereits vorgibt, wird es für das Handwerk schwieriger, mithalten zu können. Deshalb ist es umso wichtiger, die Stärken mit den Chancen, die sich in Verbindung mit der Digitalisierung ergeben, voll auszuschöpfen. Dienstleistungen wie Aufmaße nehmen, technische Zeichnungen erstellen oder Montagearbeiten sind Services, die nur das Handwerk bieten kann und es dadurch auch zukünftig von der Industrie abgrenzt. Die beiden Metallbaubrüder sind gut vorbereitet: „Sprichwörtlich hat das Handwerk zwar goldenen Boden, doch dieser kann sich Unternehmen schnell mal unter den Füßen wegziehen, wenn man sich mit einem solch zukunftsrelevanten Thema wie der Digitalisierung nicht auseinandersetzt.“